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. . . Friedrich Wilhelm Kraemer. 1907 - 1990

Portrait Friedrich Wilhelm Kraemer

Geboren am 10.5.1907 in Halberstadt

1925 - 29 Studium an der TH Braunschweig
1929 - 35 Assistent an der TH Braunschweig bei Carl Mühlenpfordt
1935 Gründung des eigenen Architekturbüros in Braunschweig

1945 - 46 Stadtbaurat in Braunschweig
1946 - 74 Professor für Gebäudelehre und Entwerfen an der TH Braunschweig
1960 - 85 Büro-Partnerschaft mit Günther Pfennig und Ernst Sieverts

Gestorben am 18.4.1990 in Köln

 

 


Friedrich Wilhelm Kraemer wird in Halberstadt in Sachsen-Anhalt geboren. Nach dem Tod seiner Mutter und der erneuten Heirat seines Vaters beginnt er sein Architekturstudium im nicht weit entfernten Braunschweig, wo Carl Mühlenpfordt, Professor für Gebäudekunde und Entwerfen, zur prägenden Figur für Kraemer wird. Die damals aktuellen Tendenzen des Neuen Bauens spielen in der Braunschweiger Architekturlehre jener Jahre praktisch keine Rolle, trotz der Nähe zu Städten wie Celle, Dessau oder Magdeburg, in denen herausragende Beispiele des Neuen Bauens entstehen. Stattdessen vertritt vor allem Mühlenpfordt einen durchaus modernen Regionalismus und bevorzugt vor allem den norddeutschen Backsteinbau, ähnlich wie Karl Elkart im benachbarten Hannover. Auch während eines Auslands-Semesters in Wien 1927 interessiert sich Kraemer eher für die Ringstraßen-Bebauung sowie für Schriftkunde und fertigt eine Abschrift der "Goldenen Bulle" an, dagegen scheinen die Bauten von Adolf Loos, Walter Sobotka oder Josef Hoffmann keinen Eindruck auf Kraemer gemacht zu haben. Nach seinem Diplom in Braunschweig bleibt er der Braunschweiger Hochschule verhaftet und wird Assistent bei seinem Lehrmeister Carl Mühlenpfordt.

Kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 gerät der durchaus nationalkonservativ eingestellte Mühlenpfordt in Konflikt mit den neuen Machthabern und wird daraufhin entlassen. Als Folge dessen wird auch Kraemers Assistenz-Vertrag nicht mehr verlängert, so daß er den Schritt in die Selbstständigkeit wagt und 1935 ein eigenes Architekturbüro in Braunschweig eröffnet. Durch gute gesellschaftliche Kontakte erhält er zahlreiche Aufträge für Einfamilienhäuser im Braunschweiger Raum. Seine Architektur ist gekennzeichnet von einem bürgerlichen Traditionalismus, wie er gerade für Wohnhäuser während des nationalsozialistischen Regimes sehr beliebt ist. Die Vorbilder für Kraemers Architekturauffassung sind Paul Schmitthenner und besonders Heinrich Tessenow, was erkennbar ist in den einfachen, kubischen Baukörpern mit großen, ruhigen Dächern.

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wird Kraemer zunächst als Zeichner zum Arbeitsdienst der Deutschen Arbeits-Front eingezogen. Deren Leiter, der Architekt Julius Schulte-Frohlinde, der Kraemer bereits bei der Konzeption der neuen Braunschweiger Südstadt kennengelernt hatte, vermittelt ihm Aufträge für Industriekomplexe in und um Braunschweig wie den Niedersächsischen Motorenwerken der Firma Büssing oder dem Zweigwerk des KdF-Wagens, des späteren Volkswagens. Im Gegensatz zu anderen Architekten seiner Generation wie Egon Eiermann, Rudolf Lodders oder Herbert Rimpl, weisen Kraemers Industriebauten aber keine spezifische Modernität auf, sondern zeichnen sich durch eine Mischung von rationalen Hallenkonstruktionen und traditionalistischen Gemeinschaftsbauten aus. Diese Beschäftigung kann ihn aber nicht vor dem Militärdienst bewahren, zu dem er 1944 eingezogen wird. Durch einen Kopfschuß in Rußland schwer verwundet, nutzt er die Zeit seines Lazarett-Aufenthaltes in Göttingen zu einer Dissertation über die klassizistischen Braunschweiger Baumeister Peter Joseph Krahe und Karl Theodor Ottmer, die er bis 1945 abschließt. Unmittelbar nach Kriegsende wird er als kommissarischer Stadtbaurat von Braunschweig berufen, er gilt der alliierten Besatzungsmacht als unbeschriebenes Blatt. Diesen Posten gibt er aber bereits ein Jahr später wieder auf, zugunsten einer Professur an der Technischen Hochschule Braunschweig.

Kraemer übernimmt als 1946 erster und einziger Architektur-Professor den Lehrstuhl für Gebäudelehre und Entwerfen, den früheren Lehrstuhl Mühlenpfordts. In dieser Position ist er maßgeblich für den Aufbau der Lehre in der Nachkriegszeit verantwortlich, die als "Braunschweiger Schule" bekannt wird und als renommierte Architektur-Schule der deutschen Nachkriegszeit gilt. Zusammen mit Dieter Oesterlen und Walter Henn bildet Kraemer ein Triumvirat mit einer großen ideologischen und fachlichen Übereinstimmung, ohne allerdings einen spezifischen Architekturstil zu vermitteln, sondern eine allgemeingültige Architekturauffassung. Die Kernpunkte der "Braunschweiger Schule" sind die Betonung der Funktion, der Konstruktion sowie der Form als eigenständige Entwurfsparameter, wobei diese Punkte von den drei Lehrern in unterschiedlicher Ausprägung vertreten werden. Die "Braunschweiger Schule" orientiert sich an der internationalen, weiterentwickelten Moderne, an der nach den Jahren des Nationalsozialismus wieder angeschlossen wird. Kraemer, der maßgebliche Protagonist der "Braunschweiger Schule", vertritt die Lehrmeinung, daß subjektiver Willkür übergeordnete Ordnungsphänomene entgegenstehen und entwickelt ein Gliederungs- und Proportionssystem, das räumlich und grafisch seinen Bauten wie auch seiner Lehre zugrunde liegt.

Unter dem Einfluß internationaler, vor allem skandinavischer Vorbilder sowie durch seine Beschäftigung mit dem Klassizismus Ottmers und Krahes wandelt sich Kraemers Architekturauffassung in der Nachkriegszeit zu betont modernen Gestaltungsprinzipien. In der Ästhetik der Abstraktion und stereometrischer Körperlichkeit ist ein formaler Einfluß seiner Vorbilder Mies van der Rohe und Erik Gunnar Asplund erkennbar. Die Leichtigkeit und Eleganz, die Kraemer in seinen Bauten durch eine Reduktion auf das Materialäußerste, vornehmlich im Stahlbau, erzielt, ist beispielhaft und manifestiert den Ruf der "Braunschweiger Schule", die insbesondere mit Kraemers Bauten verbunden wird. Das Hauptaufgabenfeld seines Büros liegt bei Geschäfts- und Verwaltungsbauten, für die Kraemer zahlreiche Innovationen entwickelt. So zeigt das Warenhaus Flebbe die deutschlandweit erste, an amerikanischen Beispielen orientierte Vorhangfassade. Auch in der Weiterentwicklung der Bürogrundrißstrukturen ist Kraemers Büro führend, etwa mit dem Großraumbüro, verbunden mit polygonalen, auf 60º-Winkeln basierenden Grundrissen, womit Kraemer die Überwindung der orthogonalen Rasterarchitektur der direkten Nachkriegszeit mit einleitet.

Seit 1960 führt Kraemer gemeinsam mit Günther Pfennig und Ernst Sieverts eine Büro-Partnerschaft. Zunehmende brutalistische Tendenzen sowie eine von Waschbeton-Fertigteilen geprägte Ästhetik sind wohl vor allem auf Ernst Sieverts zurückzuführen, der ab 1975 der einzige namentlich erwähnte Partner ist. Kraemer, der seit seiner Emeritierung an der TU Braunschweig 1974 in Köln wohnt, zieht sich 1985 von der aktiven Mitarbeit in seinem Architekturbüro zurück, das unter dem Kürzel KSP weiterhin existiert. Friedrich Wilhelm Kraemer stirbt 1990 im Alter von 82 Jahren in Köln.


Novermber 2001

Literatur:

Roland Böttcher, Kristiana Hartmann, Monika Lemke-Kokkelink: Die Architekturlehrer der TU Braunschweig. Braunschweig, 1995

Dietmar Brandenburger: Architektenporträt Friedrich Wilhelm Kraemer
In: Der Architekt Heft 12/1987, S. 591-595

Olaf Gisbertz, Detlef Jessen-Klingenberg, Anne Schmedding, Karin Wilhelm: Gesetz und Freiheit. Der Architekt Friedrich Wilhelm Kraemer. Berlin 2007

Friedrich Wilhelm Kraemer: KSP Kraemer, Sieverts & Partner. Bauten und Projekte. Stuttgart, 1983

Haus Kraemer. Braunschweig 1937
. .Haus Kraemer
. .Braunschweig 1937
Niedersächsische Motorenwerke. Braunschweig 1939-43
. .Niedersächsische Motorenwerke
. .Braunschweig 1936-41
NWDR-Funkhaus. Hannover 1950-51
Foto: Heinrich Heidersberger
. .NWDR-Funkhaus
. .Hannover 1950-51
Geschäftshaus Pfeiffer & Schmidt. Braunschweig 1951-52
Foto: Heinrich Heidersberger
. .Geschäftshaus Pfeiffer & Schmidt
. .Braunschweig 1951-52
Warenhaus Flebbe. Braunschweig 1953-54
Foto: Heinrich Heidersberger
. .Warenhaus Flebbe
. .Braunschweig 1953-54
Unterharzer Berg- und Hüttenwerk. Goslar 1957-58
Foto: Heinrich Heidersberger
. .Unterharzer Berg- und Hüttenwerke
. .Goslar 1957-58
Universitäts-Forum. Braunschweig 1959-63
. .Universitäts-Forum
. .Braunschweig 1959-63
Jahrhunderthalle. Frankfurt 1960-63
Foto: Heinrich Heidersberger
. .Jahrhunderthalle
. .Frankfurt 1960-63
DKV-Hauptverwaltung. Köln 1966-69
Foto: Heinrich Heidersberger
. .DKV-Hauptverwaltung
. .Köln 1966-69
BP-Hauptverwaltung. Hamburg 1968-71
. .BP-Hauptverwaltung
. .Hamburg 1968-71