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. . . Martin Elsaesser. 1884 - 1957

Portrait Martin Elsaesser

Geboren am 28.5.1884 in Tübingen

1901 - 06 Studium an der TH München und der TH Stuttgart
1911 - 13 Assistent an der TH Stuttgart bei Paul Bonatz
1913 - 20 Professor für mittelalterliche Baukunst an der TH Stuttgart

1920 - 25 Leitender Direktor der Kunstgewerbeschule Köln
1925 - 32 Leiter des Hochbauamtes in Frankfurt am Main
1947 - 55 Professor für Entwerfen an der TH München

Gestorben am 5.8.1957 in Stuttgart

 

 


Martin Elsaesser wird als Sohn eines Theologen in Tübingen geboren. Er beginnt sein Architekturstudium an der TH München bei Friedrich von Thiersch und wechselt bald darauf an die TH Stuttgart zu Theodor Fischer, bei dem er in Kontakt mit der frühen Reformarchitektur und den Anfängen der Heimatschutzbewegung kommt, den Wesenszügen der von Fischer begründeten Stuttgarter Schule. Nach einem gewonnen Wettbewerb für die evangelische Pfarrkirche Baden-Baden 1905 beginnt Elsaesser seine freiberufliche Tätigkeit und entwickelt sich in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg zu einem der bedeutendsten Kirchenarchitekten in Südwestdeutschland. Die Architektur seiner frühen Bauten zeigt den Bruch mit dem Historismus durch eine romantische, heimatliche Formensprache an und verbindet moderne Bautechnik, wie bei der Stuttgarter Markthalle, mit einer gotisch inspirierten Reformarchitektur. Als Assistent bei Paul Bonatz bleibt er der Stuttgarter Schule verhaftet und wird schließlich im Alter von 29 Jahren Professor für mittelalterliche Baugeschichte.

Bereits nach sieben Jahren gibt Elsaesser diese Professur wieder auf, als er durch den Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer als leitender Direktor an die dortige Kunstgewerbe- und Handwerkerschule berufen wird. Dort obliegt ihm die Restrukturierung der Schule nach den Vorstellungen des Werkbundes, die er durch neue Werkstätten und Lehrkräfte erweitert, als auch der Neubau des Lehrgebäudes in der Kölner Innenstadt. Durch regionale Bezüge zum rheinischen Raum wie durch Tendenzen des in den Inflationsjahren aufblühenden Expressionismus wird der Backstein Elsaessers bevorzugtes Baumaterial, den er sowohl konstruktionsgerecht im Sinne der aufkeimenden Moderne verwendet und gleichfalls als feines Oberflächendekor nutzt. Markant bei seinen Bauten in Köln sind die expressionistischen Details, die er mit dem Backstein bildet, die aber im Vergleich mit zeitgleich entstandenen Bauten und Entwürfen wie dem Chile-Haus in Hamburg von Fritz Höger dezent bleiben. Nach nur fünf Jahren verläßt er die Kölner Kunstgewerbeschule wieder und empfiehlt Richard Riemerschmid als seinen Nachfolger.

Aufgrund seines guten Rufes als Protagonist der modernen Architekturbewegung wird Martin Elsaesser durch den neuen Frankfurter Stadtbaurat Ernst May als Leiter des dortigen Hochbauamtes berufen. Er erhält einen Zehn-Jahres-Vertrag sowie eine Professur an der Frankfurter Kunstschule, um beamtenrechtliche Ansprüche geltend zu machen, die durch die Kündigung des Kölner Lebenszeitvertrages verfallen waren. Im Hochbauamt ist Elsaesser für die kommunalen Bauten Frankfurts verantwortlich, vor allem für Schulbauten, die die Reformansätze im Schulwesen baulich umsetzen und wichtiger Bestandteil der neuen Wohnsiedlungen sind. Mit ihren strengen, geometrischen Formen stellen seine Frankfurter Bauten herausragende Beispiele für das Neue Bauen der späten Zwanziger Jahre dar und sind damit elementarer Bestandteil des architektonisch avantgardistischen "Neuen Frankfurt". Dennoch fungieren Elsaessers durchaus traditionalistisch geprägten Bauten als Gegenpol zu den funktionalistischen Montagebauten des Stadtbauamtes von Ernst May, erkenntlich an Elsaessers bevorzugtem Baumaterial Backstein. Die Verbindung von modernster Bautechnik und traditionellen Motiven wie bei seinem wichtigsten Frankfurter Bau, der Großmarkthalle, bei der erstmals Zeiss-Dywidag-Betonschalen verwendet werden, charakterisiert Elsaessers ambivalente Architekturauffassungen.

Ernst May und ein großer Teil seines Mitarbeiterstabes aus dem Hochbauamt wandern 1930 für Städteplanungen in die Sowjetunion aus. Martin Elsaesser bleibt dagegen in Frankfurt, löst aber 1932 vorzeitig seinen Vertrag mit der Stadt auf, wobei er die mangelnde Bautätigkeit als Grund nennt. Neue Bauaufträge bleiben mit Beginn des "Dritten Reichs" aus, gilt er doch als Exponent des Bauwesens der Weimarer Republik. Auch Versuche, die Leitung eines Studienbüros an einer italienischen Architekturschule zu erhalten, scheitern. Von München aus bearbeitet er Projekte in der Türkei und erhält den Direktauftrag für die neugegründete Sümer-Bank in Ankara. Mit seinem modernen Gestaltungsrepertoire, das eine Weiterentwicklung der Frankfurter Schulbauten darstellt und mit durchlaufenden Sonnenblenden auf die klimatischen Bedingungen reagiert, ist die Sümer-Bank einer der modernsten Bauten, die während der dreißiger Jahre in der Türkei entstehen. Daneben plant Elsaesser für Ankara die Gesamtanlage des städtischen Friedhofes. Obwohl er im nationalsozialistischen Deutschland keine Aufträge erhält, kann sich der heimatverbundene Elsaesser nicht zu einer Emigration in die Türkei entschließen, wie andere Exponenten des Neuen Bauens wie Bruno Taut, Gustav Oelsner oder Robert Vorhoelzer. Die Sümer-Bank bleibt sein einziges realisiertes Projekt während des "Dritten Reichs". 1937 übersiedelt er in die Nähe von Berlin und verbringt die Jahre des 2. Weltkriegs in "innerer Emigration" mit Studienreisen und utopischen Entwürfen.

Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft kehrt Elsaesser wieder in seine schwäbische Heimat nach Stuttgart zurück, in der Hoffnung auf neue Bauaufträge. Auf Vermittlung seines Studienkollegen Adolf Abel, einem Schüler von Paul Bonatz, wird Elsaesser 1947 als kommissarischer Professor für Entwerfen an die TH München berufen. Eine ordentliche Professur wird ihm von seiten des bayerischen Finanzministreiums aufgrund seines hohen Alters verwehrt. Sein Hauptaugenmerk liegt auf dem Nachkriegswohnungsbau und der gegliederten Siedlungsplanung mit Gemeinschaftseinrichtungen, wie im "Neuen Frankfurt". Neben seiner Lehrtätigkeit kann er mit Partnern einzelne Wohnhausprojekte durchführen, die seine Vorstellungen exemplarisch werden lassen. Gleichzeitig wendet er sich in Aufsätzen gegen eine rein formale Anwendung moderner Gestaltungsprinzipien wie vorgeblendeten Rasterfassaden.

Jahrelange Streitigkeiten um eine geringe Altersversorgung für seine Professur und seine Wirkungslosigkeit angesichts eines ungehemmten Wiederaufbaus lassen ihn zunehmend in Depressionen verfallen. Nur wenige Jahre nach seiner Emeritierung 1955 verstirbt Martin Elsaesser in Stuttgart. Mit seiner langen Bautätigkeit, in der er die Fortentwicklung der modernen Architektur begleitet und selber geprägt hat, ist sein Werk beispielhaft für das Miteinander von funktionalistischen, bautechnischen, aber auch traditionellen und regionalistischen Aspekten. Eine derart differenzierte Entwurfsauffassung findet leider bis heute in der Architekturgeschichte viel zu wenig Beachtung.


Oktober 2001

Literatur:

Katharina Blohm, Winfried Nerdinger: Architekturschule München 1868-1993. München 1993

Martin Elsaesser: Bauten und Entwürfe aus den Jahren 1924-1932. Berlin 1933

Thomas Elsaesser, Christina Gräwe, Jörg Schilling, Peter Cachola Schmal: Martin Elsaesser und das neue Frankfurt. Tübingen 2009

Elisabeth Maier: Fruchtbare Polarität. Martin Elsaesser zum hundertsten Geburtstag. In: Der Architekt Heft 3/1985, S. 124-127

Rainer Meyer: Martin Elsaesser von 1925-1932. Dissertation Bremen 1988

Rainer Meyer: Traditionalität und Moderne. Zur Aktualität von Martin Elsaessers Oeuvre. In: Werk, Bauen + Wohnen Heft 10/1989, S. 18-21

Bernd Nicolai: Moderne und Exil. Deutschsprachige Architekten in der Türkei. Berlin 1998

Elisabeth Spitzbart-Maier: Die Kirchenbauten Martin Elsaessers und ihre Voraussetzungen in der protestantischen Kirchenbautheorie und Liturgiediskussion. Stuttgart 1989

Markthalle. Stuttgart 1911-14
. .Markthalle
. .Stuttgart 1911-14
Kunstgewerbeschule. Köln 1922-24
. .Kunstgewerbeschule
. .Köln 1922-24
Rheinisches Braunkohlensyndikat. Mannheim 1922-24
. .Rheinisches Braunkohlensyndikat
. .Mannheim 1922-24
Haus Dr. S. Köln 1924-25
. .Haus Dr. S
. .Köln 1924-25
Haus Elsaesser. Frankfurt 1925-26
. .Haus Elsaesser
. .Frankfurt 1925-26
Großmarkthalle. Frankfurt 1926-28
. .Großmarkthalle
. .Frankfurt 1927-28
Volksschule Römerstadt. Frankfurt 1928-29
. .Volksschule Römerstadt
. .Frankfurt 1928-29
Villa Reemtsma. Altona 1930-32
. .Villa Reemtsma
. .Altona 1930-32
Sümer-Bank. Ankara 1935-38
. .Sümer-Bank
. .Ankara / TR 1935-38
Wohnhochhaus. München 1950-51
. .Wohnhochhaus
. .München 1950-51