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. . . Richard Paulick. 1903 - 1979

Portrait Richard Paulick

Geboren am 7.11.1903 in Roßlau

1923 - 27 Studium an der TH Dresden und TH Berlin-Charlottenburg
1927 - 30 Mitarbeiter bei Walter Gropius in Dessau und Berlin
1930
Gründung des eigenen Architekturbüros in Berlin
1933 - 49 Exil in China
1951 - 57 Leiter der Meisterwerkstatt III der Deutschen Bauakademie
1958 - 68 Chefarchitekt von Hoyerswerda, Schwedt, Halle-Neustadt

Gestorben am 4.3.1979 in Ost-Berlin

 

 


Richard Paulick wird 1903 in Roßlau nördlich von Dessau geboren, wo sein Vater als Gewerkschafter und Redakteur des Anhalter Volksblatts arbeitet. Nach der Schule will Paulick zunächst Kunstgeschichte studieren, beginnt auf Anraten des Vaters aber ein Architekturstudium an der TH Dresden, wo der renommierte Architekt Hans Poelzig lehrte. Nach dessen zeitgleichen Wechsel nach Berlin sind es hauptsächlich Martin Dülfer und Oswin Hempel, die Paulick in seinen ersten Studienjahren prägen. Als das Bauhaus 1925 nach Dessau übersiedelt, arbeitet Paulick als Stadtführer für die Bauhausmeister und freundet sich mit Georg Muche und Marcel Breuer an. Nach sechsmonatiger Tätigkeit im Umfeld des Bauhauses wechselt er nach dem Vordiplom in Dresden an die TH Berlin-Charlottenburg, wo er Aufnahme in der Meisterklasse von Hans Poelzig findet. Vor allem von Poelzigs Arbeitsmethodik, unbefangen in verschiedene Richtungen zu experimentieren, wird Paulick nachhaltig beeinflußt. Nebenher arbeitet er für die Humboldt-Film GmbH als Berater und ist dort an einer Dokumentationsreihe über aktuelle Bauten beteiligt.

Noch während seines Studiums, das er 1927 abschließt, plant er in Dessau gemeinsam mit Georg Muche ein Stahlhaus, das als programmatischer Systembau den Wandel des Bauhauses vom klassischen Handwerklichkeitsideal zum modernen Baulaboratorium dokumentieren soll. Zeitgleich organisieren die beiden die Eröffnungsfeier des Bauhauses im Dezember 1926. Unmittelbar nach seinem Diplom findet er eine Anstellung im Privatbüro des Bauhaus-Direktors Walter Gropius und ist dort am Bau des Arbeitsamtes und der Wohnsiedlung Törten in Dessau beteiligt. Als Gropius 1928 nach dem Ausscheiden aus seinem Amt nach Berlin geht, bleibt Paulick zunächst als Büroleiter in Dessau. Daneben bearbeitet er auch eigene Projekte und eröffnet im Sommer 1930, als er infolge der Weltwirtschaftskrise bei Gropius entlassen wird, in Berlin ein eigenes Architekturbüro. In seinen Entwürfen spiegelt sich der Einfluß des Bauhauses wider, das mit der Konzentration auf baukonstruktive und soziologische Aspekte als avantgardistische Speerspitze des Neuen Bauens während der Weimarer Republik agiert. Wegen der wirtschaftlichen Bedingungen in den frühen 1930er Jahren kann Paulick jedoch nur wenige eigenständige Projekte realisieren.

Bereits wenige Monate nach Machtübernahme der Nationalsozialisten entschließt sich Paulick aufgrund seiner prekären Auftragslage sowie aus Furcht vor politischen Repressalien zur Emigration. Er folgt einer Einladung seines Studienfreundes Rudolf Hamburger nach China und nimmt eine Stelle als Innenarchitekt bei der Firma "The modern home" in Shanghai an. Gemeinsam mit seinem Bruder Rudolf eröffnet Paulick 1937 die Büros "Modern homes" und 1943 "Paulick & Paulick Architects", die sich auf Inneneinrichtungen konzentrieren. Daneben übernimmt er 1942 auf Empfehlung des in die USA emigrierten Walter Gropius eine Professur für Architektur und Stadtplanung an der amerikanischen Missionsuniversität St.John's in Shanghai. Aufgrund seiner dortigen Beschäftigung mit stadtplanerischen Fragen wird Paulick 1945 von der Stadtverwaltung mit der Erarbeitung eines Generalbebauungsplans für die Region Shanghai beauftragt. Infolge dessen übernimmt er weitere Planungsaufträge für die nationalchinesische Regierung und ist als Berater für die Allchinesische Eisenbahn sowie weitere Eisenbahngesellschaften tätig, für die er mehrere Bahnhöfe entlang der Bahnlinie zwischen Shanghai und Tjandju entwirft.

Bedingt durch die politische Unruhe in China sowie wegen der sich bietenden Chancen im kriegszerstörten Deutschland entschließt sich Paulick im Herbst 1949 für eine Rückkehr in die Heimat. Auf der Suche nach potentiellen Arbeitsfeldern nimmt er Kontakt mit Hans Scharoun auf, der in Berlin das Institut für Bauwesen leitet und Paulick die Leitung der Abteilung Versorgung überträgt. Auch nach dem Weggang Scharouns und der sich verstärkenden politischen Teilung Deutschlands bleibt Paulick dort und beschäftigt sich mit Konzepten zum Wiederaufbau des Ost-Berliner Stadtteils Friedrichshain sowie Fragen des Typenbaus. Mit Gründung der Deutschen Bauakademie übernimmt er 1951 neben Hermann Henselmann und Hanns Hopp die Leitung einer Meisterwerkstatt. Am Bau der Stalinallee, die als sozialistisches Musterprojekt das Kernstück für den Neuaufbau von Ost-Berlin bildet, ist er als Organisator der Großbaustelle sowie mit dem Entwurf für den Wohnblock C in führender Position beteiligt. Nach einem politisch motivierten Paradigmenwechsel im Bauschaffen der DDR wird Paulicks Architektur vom Ideal des sozialistischen Realismus geprägt. Eine intensive Beschäftigung mit der lokalen Kulturgeschichte entwickelt er dabei über den Wiederaufbau der Staatsoper Unter den Linden, wo er die Kriegszerstörungen dazu nutzt, die ursprüngliche stadträumliche Wirkung wiederherzustellen und funktionale Verbesserungen zu schaffen, ohne den historischen Charakter des Bauwerks zu verlieren.

Als nach dem Ende der stalinistischen Ära in der DDR die Bedeutung rationalisierter Bauweisen wieder in den Fokus des politischen Interesses rückt, nimmt Paulick eine zentrale Stellung in der Entwicklung des Typenbaus ein. Nachdem er bereits 1954 die Leitung des Instituts für Wohnungsbau an der Deutschen Bauakademie übernommen hatte, wird er 1958 zum Chefarchitekten für den Neubau von Hoyerswerda ernannt. Mit seinen Planungen verfolgt Paulick das Ziel, eine industriell gefertigte Stadt nach sozialistischen Prinzipien mit zentralen Kultur- und Versorgungseinrichtungen zu realisieren. Die Wohnkomplexe setzen das Bestreben, vorgefertigte Elemente flexibel anzuwenden, konsequent als Großversuch um, wodurch jedoch auch eine starre räumliche Anordnung der Bauten entsteht, die dem Diktat der Kranbahn geschuldet ist. Seine Erfahrungen im Bau funktionell gegliederter neuer Städte kann Paulick 1962-65 als Chefarchitekt von Schwedt sowie 1963-68 bei der Anlage von Halle-Neustadt anwenden. Wie schon in Hoyerswerda werden die dortigen Planungen wesentlich durch politische Vorgaben beeinflußt, wodurch der Anspruch maximaler Ökonomie mit entsprechend kompakten, monoton wirkenden Bauweisen zum vorrangigen architektonischen Maßstab wird. Nach Abschluß dieser Planungen führt Paulick mit Mitarbeitern seines Planerkollektivs noch mehrere Großprojekte aus, bis er sich 1974 zur Ruhe setzt.

In Richard Paulicks Werk zeichnet sich der Urtraum der Moderne ab, eine humanere Umwelt zu schaffen. Als Schüler des Neuen Bauens der Weimarer Republik war er neben Hermann Henselmann, Josef Kaiser oder Roland Korn einer der ersten prominenten DDR-Architekten, die sich nach Ende des Stalinismus wieder der Moderne zuwandten. Auf den Idealen der Charta von Athen basierend, dokumentieren Paulicks Bauten jedoch auch das Unvermögen, alleine auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und technischer Möglichkeiten lebenswerte Stadträume zu bilden.


Juni 2008

Literatur:

Bauakademie der DDR: Große Baumeister
Ost-Berlin 1990

Manfred Müller: Das Leben eines Architekten. Porträt Richard Paulick
Halle (Saale) 1975

Manfred Müller: Architektenporträt Richard Paulick
In: Deutsche Architektur 11/1973, S. 688

Peter Müller, Wolfgang Thöner: Bauhaus-Tradition und DDR-Moderne. Der Architekt Richard Paulick. München / Berlin 2006

Stahlhaus. Dessau 1925-26
. .Stahlhaus
. .Dessau 1925-26
Kant-Garage. Berlin 1929-30
. .Kant-Garage
. .Berlin 1929-30
Wohnsiedlung Heidestraße. Dessau 1930-31
. .Wohnsiedlung Heidestraße
. .Dessau 1930-31
Wohnhäuser Graudenzer Straße. Ost-Berlin 1950-51
. .Wohnhäuser Graudenzer Straße
. .Ost-Berlin 1950-51
Deutsche Sporthalle. Ost-Berlin 1951
. .Deutsche Sporthalle
. .Ost-Berlin 1951
Stalin-Allee Wohnblock C. Ost-Berlin 1952-53
. .Stalin-Allee Wohnblock C
. .Ost-Berlin 1952-53
Hochschule für Verkehrswesen. Dresden 1954-56
. .Hochschule für Verkehrswesen
. .Dresden 1954-56
Plattenwohnhäuser WK I. Hoyerswerda 1958-60
. .Plattenwohnhäuser WK I
. .Hoyerswerda 1958-60
Arbeiterwohnheim. Schwedt 1963-64
. .Arbeiterwohnheim
. .Schwedt 1963-64
Wohnbebauung Neustadt. Halle 1964-68
. .Wohnbebauung Neustadt
. .Halle 1964-68