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. . . Helmut Hentrich. 1905 - 2001

Portrait Helmut Hentrich

Geboren am 17.6.1905 in Krefeld

1924 - 28 Studium an der Universität Freiburg, TH Wien und TH Berlin
1929 - 33 Ausbildung zum Regierungsbaumeister in Düsseldorf
1933
Gründung des eigenen Architekturbüros in Düsseldorf
1935 - 53 Büropartnerschaft mit Hans Heuser
1953 - 72 Büropartnerschaft mit Hubert Petschnigg
1972 Umbildung des Büros zu HPP Hentrich, Petschnigg & Partner KG

Gestorben am 8.2.2001 in Düsseldorf

 

 


Helmut Hentrich wird 1905 als Sohn des Krefelder Oberbaurats Hubert Hentrich geboren und wächst in behüteten und wirtschaftlich sorgenfreien Verhältnissen auf. Bereits in der Schulzeit entwickelt er ein großes Interesse an aktuellen künstlerischen und architektonischen Tendenzen und absolviert Praktika in den Architekturbüros von August Biebricher und Franz Brantzky. Auf Drängen des Vaters nimmt Hentrich nach dem Abitur zunächst ein Jura-Studium in Freiburg auf, wechselt jedoch nach einem Semester an die Wiener Architekturfakultät. Während die Ausbildung dort noch von der akademischen Vermittelung historischer Stilformen geprägt ist, ist Hentrich vom Wiener Kulturleben als auch von den Bauten von Otto Wagner oder Joseph Maria Olbrich nachhaltig beeindruckt. Im Herbst 1925 geht er schließlich an die TH Berlin, wo er Aufnahme im Entwurfsseminar von Hans Poelzig findet.

Im Berlin der zwanziger Jahre kommt Hentrich in engen Kontakt mit der im Aufbruch befindlichen modernen Architektur. So arbeitet er in den Semesterferien in den Architekturbüros von Hugo Häring und Mies van der Rohe, die zu den Pionieren des Neuen Bauens zählen. Aber es ist vor allem Hans Poelzig, der mit seiner Lehrauffassung, Stile nur als äußere Haut zu verstehen, Hentrichs Architekturverständnis prägt. Neben Poelzigs Seminar besucht er jedoch auch die Entwurfskorrekturen von Heinrich Tessenow, dessen systematische Lehre im Gegensatz zu Poelzig auf eine strenge, einheitliche Architekturform abzielt. Um sich für den Staatsdienst zu qualifizieren beginnt Hentrich nach dem Diplom 1929 eine Ausbildung zum Regierungsbaumeister und ist als Bauleiter beim Umbau der Andreaskirche in der Düsseldorfer Altstadt tätig. Im gleichen Jahr gewinnt er mit dem Entwurf einer "Hochschule für Tanzkunst" den Schinkel-Preis und promoviert an der TH Wien mit einer darauf basierenden Arbeit über modernes Tanztheater. Mit dem Preisgeld des Schinkel-Preises unternimmt Hentrich ab 1930 eine Weltreise durch die USA bis nach China und Indien. Praktische Erfahrungen erwirbt er dabei in den Architekturbüros von Ernö Goldfinger in Paris sowie Norman Bel Geddes in New York, wo er Wolkenkratzer wie das Empire State Building im Bau erlebt.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland absolviert Hentrich 1933 die zweite Staatsprüfung zum Regierungsbaumeister. Einer Anstellung im Staatshochbauamt Gumbinnen zieht er die Selbstständigkeit vor und eröffnet ein Architekturbüro in Düsseldorf, wo er zunächst einige Wohnungsaufteilungen realisieren kann. Nach anfänglicher Zusammenarbeit mit Hans Heuser begründen sie 1935 eine Büropartnerschaft und können sich mit Wettbewerbserfolgen und Wohnhausbauten etablieren. Die in traditionellen Formen gestalteten Bauten des Büros fügen sich in die nationalsozialistischen Gestaltdogmen ein, weisen aber zugleich eine Orientierung an internationalen Tendenzen wie dem Art Deco als auch an der Architektur Heinrich Tessenows auf. Nach dem Wettbewerbserfolg für das Deichtor Orsoy 1937 werden Hentrich & Heuser vermehrt zu offiziellen Wettbewerben der Organisation Todt oder der Hitlerjugend eingeladen. Mit dem Fassadenentwurf des Reichsversicherungsamtes sind sie auch an den Berliner Neugestaltungsplänen von Albert Speer beteiligt, ebenso wie mit städtebaulichen Entwürfen an der Neugestaltung Hamburgs durch Konstanty Gutschow. Bis zum Ende des 2. Weltkriegs, zu dem Hentrich wegen einer Beinverletzung nicht eingezogen wird, kann das Büro mit Aufträgen für Sendeanlagen der Reichspost und Wiederaufbauplanungen für Krefeld im Auftrag des Speer'schen Wiederaufbaustabs kontinuierlich tätig bleiben.

Als ehrenamtliches Mitglied im Kulturausschuß der Stadt Düsseldorf beteiligt sich Hentrich nach Kriegsende an den dortigen Wiederaufbauplanung. Nach der Währungsreform 1948 kann sein Büro das Erscheinungsbild der Stadt auch mit zahlreichen Neubauten prägen. Weisen die frühen Nachkriegsbauten Hentrichs mit ihrem abstrahierten Klassizismus noch Anklänge an Formvorstellungen des Dritten Reichs auf, so wird ab Anfang der fünfziger Jahre eine von den Materialien Glas und Stahl dominierte filigrane Architektur zum Markenzeichen des Büros. Mit ihrer Balance von Masse und Transparenz zählen die Bauten Hentrichs zu den Vorreitern der von kühler Sachlichkeit bestimmten Nachkriegsmoderne in West-Deutschland. Nach dem frühen Tod von Hans Heuser nimmt Hentrich 1953 Hubert Petschnigg als neuen Partner in das Büro auf, 1959 wird die Bürogemeinschaft um sechs Partner erweitert und in HPP Hentrich, Petschnigg & Partner umbenannt. Durch zahlreiche Wettbewerbserfolge entwickelt sich HPP zu einem der größten Architekturbüros der Nachkriegszeit. Nicht nur in Düsseldorf, wo der Leiter des Stadtplanungsamtes Friedrich Tamms, ein Studienfreund von Hentrich, zahlreiche Architektenkollegen aus den Jahren des Dritten Reichs protegiert, sondern auch deutschlandweit können HPP zahlreiche Wettbewerbe für sich entscheiden und entwickeln sich zu Spezialisten auf dem Gebiet des Verwaltungsbaus.

Mit Hentrichs Entwurf für die Hauptverwaltung der Thyssen-Stahlwerke entsteht 1957-60 ein für die westdeutsche Nachkriegsarchitektur epochaler Bau. Durch die Staffelung von drei Bürotrakten um den Erschließungskern erfährt die bis dahin übliche, zwei- oder dreibündige Bürogrundrißgestaltung einen entscheidenden Impuls. Die neuartige Grundrißstruktur ermöglicht eine Auflösung des Bauvolumens in drei unterschiedlich dimensionierte Scheiben, was dem Gebäude seine elegante Erscheinung verleiht und ihm die Bezeichnung "Dreischeibenhaus" einbringt. Auf der Grundidee der Trennung von Büroflügeln und Erschließungskern basierend entwickelt das Büro HPP zahlreiche weitere Varianten. Mit der Loslösung vom orthogonalen Grundschema ist Hentrichs Büro führend an der Entwicklung polygonaler Grundrißstrukturen beteiligt und beeinflußt damit den Verwaltungsbau der sechziger und siebziger Jahre nachhaltig. In ihrem Erscheinungsbild zeichnen sich diese Bauten durch einen klassizistischen Habitus aus, dessen aus der technischen Präzision der Fassadengestaltung gewonnene Ästhetik auf amerikanische Vorbilder von Mies van der Rohe oder SOM Skidmore, Owings & Merrill verweist. 1972 bildet Hentrich sein Architekturbüro zu einer Kommanditgesellschaft um und überträgt zwei Jahre später den beiden Partner Hans Joachim Stutz und Rüdiger Thoma die Leitung des Büros. Hentrich und Petschnigg ziehen sich in den Beirat des Büros zurück und nehmen dort weiter Anteil an den Projekten.

Zunehmend engagiert sich Hentrich für die Erhaltung von Baudenkmalen und kann unter anderem die Düsseldorfer Tonhalle durch Schenkung eines Wiederherstellungsentwurfs vor dem Abriß bewahren. Für seine Leistungen um das Erscheinungsbild der Stadt wird Hentrich 1985 zum Düsseldorfer Ehrenbürger ernannt. Helmut Hentrich, neben Egon Eiermann, Friedrich Wilhelm Kraemer oder Sep Ruf einer der wichtigsten deutschen Nachkriegsarchitekten, stirbt im Alter von 95 Jahren in Düsseldorf. Das Büro HPP existiert fort und zählt bis heute zu den größten deutschen Architekturbüros.


August 2005

Literatur:

Gudrun Escher: Pragmatiker zuerst. Helmut Hentrich 1905-2001
In: DBZ 4/2001, S. 18-19

Helmut Hentrich: Bauzeit. Aufzeichnungen aus dem Leben eines Architekten
Düsseldorf 1995

Henry-Russell Hitchcock: HPP Hentrich-Petschnigg & Partner
Düsseldorf 1973

HPP Hentrich-Petschnigg & Partner: 50 Jahre HPP
Düsseldorf 1985

Sabine Tünkers: Hentrich, Heuser, Petschnigg 1927-1955
Weimar 2000

Klaus-Dieter Weiß: Architektenporträt Helmut Hentrich. Perfektion versus Philosophie?
In: Der Architekt 1/1986, S. 37-41

Haus Schmitz-Egelhoff. Krefeld 1934-35
. .Haus Schmitz-Egelhoff
. .Krefeld 1934-35
Wohnhaus Inselstraße. Düsseldorf 1935-36
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. .Düsseldorf 1935-36
HJ-Heim. Rheinhausen 1937-38
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. .Rheinhausen 1937-38
Bankhaus Trinkaus. Düsseldorf 1949-50
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. .Düsseldorf 1949-50
Drahthaus. Düsseldorf 1951-52
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. .Düsseldorf 1951-52
BASF-Hochhaus. Ludwigshafen 1953-57
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. .Ludwigshafen 1953-57
Thyssen-Hochhaus. Düsseldorf 1957-60
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Unilever-Hochhaus. Hamburg 1961-64
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Standard Bank-Center. Johannesburg / SA 1965-70
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. .Johannesburg / SA 1965-70
Rank Xerox-Verwaltungsgebäude. Düsseldorf 1967-70
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. .Düsseldorf 1967-70